Sonntag, 1. September 2019

Deutschland, ein Nordsee-Märchen


Es waren einmal ein Immobilienmakler und seine Frau, eine Innenarchitektin, die wohnten zusammen in einer Dreizimmerwohnung in einer mittelgroßen Stadt in Niedersachsen, und obwohl es recht weit war, fuhr der Immobilienmakler jeden Tag in seinem VW Scirocco an die Nordsee-Küste und angelte.
So saß er auch einmal mit seiner Angel und schaute immer in das klare Wasser hinein, und er saß und saß. Da ging die Angel auf den Grund, tief, tief hinab, und wie er sie heraufholte, da zog er einen großen Butt heraus. Da sagte der Butt zu ihm: »Höre, [Immobilienmakler], ich bitte dich, laß mich leben, ich bin kein richtiger Butt, ich bin ein verwünschter Prinz. […] Setz mich wieder ins Wasser und laß mich schwimmen! (Quelle)
Ich werde Dir und Deiner Frau alle Wünsche erfüllen!" „Nun ja“, sagte der Immobilienmakler, „meine Frau und ich, wir hätten doch gerne ein Häuschen ein bisschen näher am Meer. Es gibt da so ein Neubaugebiet in ***siel, da hätte ich gerne ein typisch ostfriesisches Backsteinhaus.“
„Okay“, sagte der Butt, „wenn’s weiter nichts ist!“



„Na ja“, sagte der Immobilienmakler, „ein Garten sollte natürlich schon dabei sein, mit einer Blumenrabatte zur Straße hin, damit es auch ordentlich Eindruck macht.“
„Genehmigt“, sagte der Butt.

„Wobei“, dachte der Immobilienmakler laut nach, „wenn die Terrasse zur Straße geht, dann sollte sie auch blickdicht abgeschirmt sein. Schließlich soll nicht jeder sehen können, wen ich gerade zu Besuch habe. Ich wünsche mir daher eine blickdichte und wetterfeste Plexiglas-Konstruktion um meine Terrasse herum.“
„Das lässt sich machen“, seufzte der Butt.

„Wichtig ist aber auch“, schob der Immobilienmakler nach, „dass der Rasen immer ordentlich gemäht ist. Man möchte ja schließlich von den Nachbarn nicht schief angeschaut werden, wie schnell ist man als Hippie oder Öko verschrien! Ich brauche unbedingt einen Rasenmäher-Roboter, am liebsten den Husqvarna Mähroboter Automower 450X.“
„Ist gut“, versprach der Butt, „von dem habe ich auch nur Gutes gehört.“
„Wenn man es recht bedenkt“, spann der Immobilienmakler den Faden weiter, „regnet es doch ziemlich oft hier in an der Nordsee. Das würde dem empfindlichen Gerät wahrscheinlich schaden. Und wenn ich schon einen Rasenmäher-Roboter habe, der sich sozusagen selbständig um die korrekte Länge meines Rasens kümmert, habe ich doch keine Lust, das Ding immer aus dem Haus in den Garten zu tragen und dann wieder hinein. Da könnte ich ja gleich selbst mähen oder mir einen Hund kaufen.“
„War’s das jetzt?“, knurrte der Butt. „Mir ist etwas zu unbequem für so lange Unterhaltungen.“
„Ich hab’s!“, rief der Immobilienmakler freudig aus, „mein letzter Wunsch: eine Garage für Mähroboter!“ Und er strahlte.
Der Butt verzog sein breites Butt-Maul und nickte ergeben.


Sonntag, 14. Juli 2019

Verkehr in Valencia

Im Schwäbischen Tagblatt erschien kürzlich in der Wochenend-Beilage, Seite "Wissen", eine Infografik zum Kreisverkehr. Darin wurden die Vor- und Nachteile des Kreisverkehrs gegenüber einer Kreuzung genannt (weniger Konfliktpunkte und Wartezeiten, Beinahe-Ausschluss von Frontalkollisionen), die Bedeutung der Schilder erklärt (blaues Kreisverkehrsschild und Vorfahrt-gewähren-Schild - das dürfte für manche Leser neu gewesen sein) und die Bußgelder für Verstöße vorgestellt (Nichtblinken beim Herausfahren, Vorfahrt missachten, Parken im Kreisverkehr, Verbotswidriges Überfahren der Mittelinsel uvm.).
Dass im Jahr 2019 immer noch Artikel mit der Unterzeile "Um Straßenverkehrsknotenpunkte sicherer zu machen, werden Kreuzungen nicht selten durch Kreisverkehre ersetzt. Die Besonderheiten und Verhaltensvorschriften im Überblick" veröffentlicht werden, weist auf eine weiterhin fehlende Vertrautheit des deutschen Autofahrers mit diesem scheinbar aus dem Welschland importierten Verkehrshindernis hin.
Tatsächlich war mutmaßlich der erste Kreisverkehr überhaupt der 1899 in Görlitz errichtete Brautwiesenplatz - einer Stadt, über die man in diesen Tagen ja überhaupt nur Gutes hört! Dennoch wird er irgendwie nach wie vor als undeutsch wahrgenommen, so dass man vermutlich in den Programmen gewisser Parteien (oder Nicht-Parteien) die Forderung nach seiner Abschaffung finden könnte. Woher diese Abneigung rührt? Vermutlich daher, dass der Kreisverkehr das ungehinderte Rasen so unhübsch stört, vor allem, wenn man in der 70er Jahren, also vor dem Kreisverkehrsbauboom hierzulande, eines dieser idyllischen französischen Städtchen besuchen wollte, und statt mit gepflegten 50-70 km/h bis zur Place de la ville durchzubrausen alle paar hundert Meter herunterbremsen musste, um im Halbkreis um eine überdimensionierte Topfplanze oder städtisch finanzierte Plastiken herumzufahren. Der Stachel sitzt weiterhin tief.

Aber nicht nur in Frankreich gibt es diese Blume der Zivilisation (auch wenn sich hier mit 20.000 ronds-points angeblich die Hälfte aller weltweit vorhandenen Kreisverkehre findet [Quelle]), auch in Spanien gibt es ein paar besonders schöne Exemplare, liebevoll rotondas genannt.

Mein Lieblingsbeispiel in Valencia ist ein Doppel-Kreisverkehr, also eigentlich ein Achter-Verkehr: ich nenne ihn "die Doppelrotonda der unbegrenzten Möglichkeiten". (Die liegende Acht steht bekanntlich für das Unendliche.) Wie man sieht, führen insgesamt fünf (ganz sicher bin ich mir nicht...) Straßen in ihn hinein bzw. aus ihm heraus. Was man allerdings auf dem Bild nicht gut erkennen kann, ist, dass aus den drei Spuren, die in den Kreisverkehr hineinführen, im Kreisverkehr praktisch beliebig viele Spuren werden. Das heißt, dass man sich an den verschiedenen Ampeln im Kreisverkehr (ja, es gibt Ampeln im Kreisverkehr!) jeweils günstig positionieren muss, um am Ende so herauszukommen, wie man es vorhat. Am besten bleibt man also in der Mitte, so hält man sich alle Optionen offen, aber das wissen die anderen Fahrer auch...
Lustigerweise gibt es bei diesem Riesenkreisverkehr oberhalb der Avenida dels Germans Machado auch die Möglichkeit, auf eine parallel zu den Feldern in östliche Richtung führende Straße einzubiegen. Man muss hierfür den zweiten Kreisverkehr (hier rechts) so umrunden, als wolle man auf die Avenida einbiegen, wartet aber dann an der Ampel zwischen den beiden Fahrtrichtungen der Avenida und biegt dann oben zwischen den beiden Grünbereichen ab.


Eine weitere straßenbautechnische Besonderheit vermag ich nicht einmal zu benennen; daher nenne ich es The Thing That Should Not Be. Hier muss man nämlich, auf einer mehrspurigen Straße fahrend (Avinguda del Primat Reig), nach rechts abbiegen, einen Bogen fahren, um dann links auf den Carrer d'Alfauir abzubiegen. Ich wüsste gerne, ob dieses Ding einen Namen hat, aber ich weiß nicht, wie ich es googeln sollte...




Q.e.d.: Von Görlitz lernen heißt kreativ denken lernen.


 

Freitag, 21. Juni 2019

Im Bild(e) sein

Letzte Woche waren wir im Zoo (Bioparc Valencia), diese Woche im Aquarium (Oceanografic Valencia).
Im Zoo war vor wenigen Wochen ein kleiner Gorilla zur Welt gekommen. Kein Wunder, dass sich vorm Gorilla - Gehege die Menschen drängten. Aber die meisten schauten gar nicht in das Gehege hinein, sondern standen mit dem Rücken zu den Tieren. Warum? Weil sie Selfies mit den Gorillas im Hintergrund aufnahmen. So lange, bis sie mit der Qualität der Aufnahme zufrieden waren.
Im Groß-Aquarium von Valencia gibt es einen Tunnel, der durch das Aquarium führt, in dem u.a. Haie und Rochen schwimmen. Man sieht diese eindrucksvollen Tiere neben sich und über sich durchs Wasser gleiten. Doch auch hier folgt nicht das Auge den Bewegungen der Tiere, sondern die Frontkamera des Smartphones.
 
Warum gehen Menschen in einen Zoo, in dem es, sagen wir mal, Löwen zu sehen gibt? Es gibt hunderte von Tierfilmen zu allen bekannten Spezies, in denen ich Löwen bei der Jagd beobachten kann, statt wie im Zoo nur beim Dösen oder Im-Kreis-herumlaufen.
Die Menschen gehen in den Zoo, weil sie die Löwen als echte Tiere wahrnehmen möchten.
Warum aber schauen heute viele Besucher die Tiere gar nicht mehr direkt an?
Weil es ihnen nicht um die Tiere geht, sondern um sich selbst. Sie wollen nicht das Nashorn sehen, das Stärke ausstrahlt und mit seiner dicken Haut archaisch aussieht, sondern sie suchen lediglich einen neuen Hintergrund für ein im Wesentlichen stets gleichbleibendes Motiv: sich selbst.
Zoos und Großaquarien behaupten seit einiger Zeit, sie hätten einen ökologischen Auftrag, weil sie durch ihr Angebot dafür sorgten, dass der Schutz bedrohter Tiere immer wieder neu ins  Bewusstsein gerufen werde. Denn nur was man kenne, könne man auch schützen wollen. Diese Selbstrechtfertigung wird durch das oben beschriebene Verhalten zahlreicher Besucher ad absurdum geführt, die nichts kennenlernen und sich nicht informieren wollen, sondern Tiere in Gefangenschaft als Fotoposter verwenden. 
Vielleicht sollten die aufwendig gestalteten Plakate, die über die Lebensbedingungen der Tiere in freier Wildbahn sowie den aktuellen Bestand informieren, zukünftig in Spiegelschrift verfasst werden: so könnten wenigstens die sicherlich zahlreichen Follower auf Instagram in den Genuss dieser Informationen kommen - und sie an die Fotografen weiterleiten.

Paar ohne Smartphone (unten rechts) vor düsterem Abendhimmel
 

Dienstag, 11. Juni 2019

Bilderbuch-Gedichtinterpretation

Was machen Deutschlehrer in den Ferien? Natürlich Gedichte interpretieren.

Bei dem Gedicht 'Wenn kleine Tiere schlafen gehen' von Anne-Kristin zur Brügge handelt es sich um ein insgesamt achtstrophiges Werk, dessen letzte Strophe sich durch einen deutlich erhöhten Umfang von den anderen Strophen abhebt. Editionstechnisch nimmt auch die erste Strophe eine Sonderstellung ein, da sie auf der Buchrückseite abgedruckt und somit scheinbar inhaltlich nachgeordnet ist. Tatsächlich handelt es sich bei diesen vier im Paarreim gereimten Versen um die Einleitung in das Gedicht: Es werden Raum und Zeit (V. 1: "Im sanften Mondschein") sowie das Thema, nämlich die Art und Weise, wie kleine Tiere - also Jungtiere, nicht kleinwüchsige Tiere - einschlafen (V. 1f.: "kannst du sehen/ wie kleine Tiere schlafen gehen"), angesprochen; auch die Adressierung an ein "du" (V. 1), also den impliziten Rezipienten, wird hier direkt deutlich. Sie wird in der Schlussstrophe wieder aufgenommen.
Die in der hier angenommenen Reihenfolge sich an diese einführende Strophe anschließenden sechs aus vier im Paarreim angeordneten Strophen folgen einem ähnlichen Muster: sie alle berichten den Vorgang, dass ein tierisches Elternteil sein Tierjunges durch verschiedene Handlungen zum Einschlafen bewegt. Die folgenden Tiere werden dabei vorgestellt: Löwe, Maus, Affe, Eule, Katze und Igel. Wie sich zeigt, handelt es sich also weder ausschließlich um heimische noch nur um exotische Tiere, Fleischfresser sind ebenso vertreten wie Pflanzenfresser; auch die Größe der Tiere in ihrer ausgewachsenen Form variiert gewaltig - von der Maus über Igel, Katze und Eule, den nicht näher definierten Affen bis hin zur Großkatze, dem Löwen. Gemeinsam ist den Tieren lediglich, dass sie außer der Eule alle aus der Familie der Säugetiere stammen, was nicht weiter verwunderlich ist, da für die Thematik des Gedichts die Aufzucht der Jungiere durch die Eltern gewissermaßen konstitutiv ist. (Familienähnlichkeiten über die Zugeörigkeit zu den Säugetieren hinaus sind nur noch für die der Familie der Katzenartigen für die "Katze" [gemeint ist mutmaßlich die Hauskatze, Felis silvestris catus] sowie den Löwen [Panthera leo] zu konstatieren, die jedoch unterschiedlichen Unterfamilien zugerechnet werden [Kleinkatzen {Felinae} bzw. Großkatzen {Pantherinae}] und zudem durch drei Strophen voneinander getrennt sind [Strophe II bzw. VI]. Bemerkenswert ist überdies, dass Mäuse in das Beuteschema von Katzen, Eulen und Igeln gehören. Die Absonderung der von den Mäusen handelnden Strophe III von den Strophen V-VII durch die vom Affen handelnde Strophe IV erscheint somit zoologisch geboten.)
Wenn wir nun die Protagonisten der verschiedenen Strophen in den Blick nehmen, so stellen wir fest, dass die Dichterin sich um ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei der Darstellung der Tier-Eltern bemüht zu haben scheint: in den Strophen II bis V scheint das grammatische Geschlecht demjenigen des tierischen Elternteils zu entsprechen, ohne dass hierzu etwas Genaueres gesagt wird. Anders ist dies in den Strophe VI und VII, in denen ausdrücklich vom "Kater" (VI, 1) und "Papas Bein" (VI, 4) sowie der "Igelmutter" (VII, 1) die Rede ist.
Divergent ist das Bild, das sich bietet, wenn man die Darstellung der tierischen Einschlafrituale näher betrachtet: Einerseits versucht die Dichterin, durch die Verwendung spezifischer Termini wie "Pfote" (II, 3), "Fell" (II, 4), "Küken" (V, 1), "Nest" (V, 2) und "Tatze" (VI, 1), der Schilderung typischer Verhaltensweisen - wie des Flöhens bei den Affen (vgl. Strophe IV) und des Laubaufschüttens bei den Igeln - , sowie die Nachahmung ("Schuhu schuhu", V, 3) oder Benennung ("schnurrend", VI, 3) tierischer Laute eine authentische Atmosphäre herzustellen. Andererseits lässt sie sich mehrfach zur Vermenschlichung tierischer Verhaltensweisen hinreißen, indem sie die Maus ein Schlaflied singen (III, 3!) oder die Eule "ich hab dich lieb" (V, 3!) sagen lässt.
Die Absicht hinter diesen Abweichungen von der naturalistischen Darstellungsweise wird schließlich in der bisher nicht besprochenen aber wie schon erwähnt hervorstechenden Schlussstrophe deutlich: denn hier werden in einer überraschenden Wendung die Vorgehensweisen der Tiere auf das Einschlafverhalten des Rezipienten, bei dem es sich, wie sich nun herausstellt, um das Kind der Dichterin handelt, bezogen, und aus jeder der die Verhaltensweise eines tierischen Elternteils beschreibenden Strophen eine Aktivität herausgenommen, auf das Kind appliziert und somit eine den Schlaf befördernde Wirkung impliziert. Im Einzelnen handelt es sich um folgende, in der Strophe jeweils einen Vers einnehmende Handlungen: übers-Fell-streichen (wie der Löwe), das-Ohr-kraulen (wie die Maus), Flo-vom-Po-zupfen (wie der Affe), festhalten (wie die Eule), Bauch-streicheln (wie die Katze) und Nase-anstupsen (wie der Igel). Es zeigt sich, dass diese kunstvolle Verknüpfung genau parallel zur vorherigen Anordnung der Strophen verläuft! Zusammen mit zwei einleitenden und zwei abschließenden Versen ergibt sich für diese letzte Strophe eine Versanzahl von zehn. Die abschließenden Verse münden in die Schilderung einer zusätzlichen Handlung, nämlich den "Schmuse-Kuschel-Einschlaf-Kuss" (VIII, 10). Mit diesem Neologismus endet das Gedicht. Der Vers bewirkt zweierlei: er erklärt die gesamte Beschreibung der Handlungen als durch den Vortragenden selbst auszuführende, so dass also an letzter Stelle der Gute-Nacht-Kuss zu stehen habe; zugleich bewirkt der aus nur einem Wort bestehende letzte Vers eine große Müdigkeit beim Rezipienten, die bei glücklichem Einsatz dazu führt, dass er einschläft.
Zur Unterstützung dieses Vorhabens hätte eine höhere Anzahl an klingenden Kadenzen mutmaßlich Einiges beigetragen. Die Kadenzen der Reime sind fast ausschließlich männlich. Klingende Kadenzen sind nur in der Eingangs- ("sehen" - "gehen") und der Katzenstrophe ("Tatze" - "Katze") zu finden.

Die zweifelsohne wünschenswerte Miteinbeziehung der bildlichen Darstellungen konnte im Rahmen dieser Untersuchung leider nicht geleistet werden.

Freitag, 24. Mai 2019

Aller (Neu-)Anfang ist schwer

Wie fängt man nach fünf Monaten (Zwangs-)Pause wieder an zu bloggen? Am besten mit einem Stimmungsbild.



Freitag, 4. Januar 2019

Ադանա

So. Der Titel dieses Posts gibt uns allen die schöne Gelegenheit, das armenische Alphabet zu lernen. Würde ich ja auch wirklich gerne machen, denn das armenische Alphabet ist nicht nur richtig alt (Erfindung durch den heiligen Mesrop, 407 n. Chr, also viel älter als das kyrillische Alphabet, 10. Jahrhundert), ich finde, es ist auch richtig schön. Der Titel enthält nur drei Buchstaben der insgesamt 37 armenischen Buchstaben: A (a), d und n. Heißt also (Überraschung): Adana.
Mit diesen Kenntnissen kann man noch nicht mal die Transkription des Namens von Armeniens Fußballer der Jahre 2011-2014 überprüfen: Հենրիխ Մխիթարյան.
Aber warum schreibe ich jetzt über das Armenische, Armenier und Armenien, wo doch die letzten Blogeinträge (endlich einmal) in eine gewisse Richtung zu gehen schienen? Und ja: es geht immer noch um die selbe Gegend. Aber nach Hethitern und Luwiern, Griechen und Römern waren es noch immer nicht die Türken, die Kilikien besiedelten, sondern die Armenier.
Die wohnten nämlich nicht schon immer in der Gegend des heutigen Landes im Süden des Kaukasus. Von Zeit zu Zeit wird bei uns ja der Völkermord an den Armeniern Anfang des 20. Jahrhunderts thematisiert. Von daher weiß man schon, dass es Armenier im Osmanischen Reich gab. Aber man stellt sie sich doch eher als vereinzelt lebende Grüppchen. Wo sie her kamen und wann, überlegt man sich kaum.
Tatsächlich existierte in Kilikien über drei Jahrhunderte ein armenisches Königreich, genannt Kleinarmenien. Die Gegend war zunächst ein von Byzanz an einen armenischen Fürsten vergebenes Lehen. Zum Reich wurde es erst als Folge aus der Schwäche des Byzantinischen Reiches: einerseits, weil dadurch die Seldschuken armenische Siedlungsgebiete weiter nördlich erobern konnten, andererseits, weil die Byzantiner sie nicht wirkungsvoll an der Reichsgründung hindern konnten. Das kleinarmenische Reich war eines der wenigen eigenständigen armenischen Reiche überhaupt in der Geschichte. 
Die Herkunft der Armenier ist nicht zweifelsfrei geklärt; soweit die Quellen reichen lebten Armenier oder wahrscheinliche Vorfahren in Ostanatolien, v.a. in der Region um den Van-See.
Das bedeutendste Denkmal der armenischen Präsenz in Kilikien ist die Burg Anavarza, auf Armenisch Anazarbos. Ich hoffe sehr, dass ich es dorthin schaffen werde, und überlege schon die ganze Zeit, ob es sich lohnt, für diesen Ausflug die Wanderstiefel einzupacken!

Anavarza Kalesi - Urheber: Mustafa Tor (2007)


Quellen:
Elisabeth Bauer, Armenien: Geschichte und Gegenwart, Luzern 1977.