Sonntag, 5. Juli 2015

Klopp.

Wie vermutlich die meisten habe ich Jürgen Klopp v.a. in seiner Rolle als Experte fürs ZDF während der WM 2006 "kennen gelernt". Und er stand damals für zwei Qualitäten, die seinem Nachfolger auf besonders störende Weise abgehen: Eloquenz und taktisches Verständnis. Beides hat er auch in Dortmund gezeigt: durch die Erhebung der Pressekonferenz zu einem Unterhaltungsformat und, wichtiger noch, durch die Etablierung des Dortmunder Spielsystems inklusive wichtiger taktischer Entscheidungen wie die doppelte Absicherung gegen Robben durch Schmelzer und Großkreutz in den Spielen der beiden Meisterschaftsjahre oder das konsequente Aus-dem-Spiel-nehmen von Xabi Alonso im Halbfinale der CL-Saison 2012/13. Dazu kommt natürlich die Arbeit mit den Spielern, von denen viele (u.a. die beiden oben genannten) unter ihm ihr Leistungsniveau enorm erhöhten. Leider scheinen seine Coaching-Fähigkeiten in der letzten Saison nicht mehr ausgereicht zu haben, auch nicht im Pokalfinale, wo sich meine Hoffnung auf einen Dortmunder Sieg sich v.a. auf die zum Teil ziemlich kläglichen Auftritte des Gegners in der Europa-League stützten (z.B. ein 1:4 gegen den FC Everton, die Nr. 11 der Premier League). Die Finalform lag dann aber wohl doch näher an der vom Spiel gegen die Bayern, das auch ich natürlich gefeiert habe. Die Pokalfeier des Vfl Wolfsburg geriet dabei eher zu einer Modellpräsentation des VW-Konzerns. Wenn man bedenkt, wieso es die Stadt Wolfsburg und den dort beheimateten Verein überhaupt gibt, muss man das wahrscheinlich sogar als authentisch bezeichnen.
Klopp geht also: ist das schlimm? Ja und nein. Dass man ihn nach der Vorrunde nicht gefeuert hat, finde ich aufgrund seiner Verdienste richtig. Er hat den Verein noch auf einen Europa-League-Platz geführt, was nach dieser Hinrunde definitiv beachtlicher ist, als bei anderen Vereinen. Aber was hat zu dieser Hinrunde geführt? Die Teilnahme wichtiger Spieler an der WM, Verletzungen, nicht ausreichend integrierte Neuzugänge oder doch auch nachlassendes taktisches Geschick und sich abnutzende Motivatiosstrategien des Trainers? Immerhin vorstellbar.
Stark nachgelassen hat jedenfalls Klopps Fähigkeit - oder Lust? - das Spiel zu erklären. Vermutlich als Konsequenz seiner Erfolge und des sich daraus ergebenden Drucks wurde er immer dünnhautiger gegenüber den (zugegebenermaßen meist dämlichen) Fragen der Fußballreporter, deren Kollege er früher gewesen war. (Vielleicht spricht daraus auch die Enttäuschung, mit seiner Arbeit als Experte fürs ZDF keinen Paradigmenwechsel in der dritten Halbzeit herbeigeführt zu haben.) Diese Haltung und das immer wieder aggressive Verhalten den Schiedsrichtern gegenüber werde ich nicht vermissen; die Identifikation mit dem Verein, die taktischen Ideen und die Optimierung der Spielerleistungen dagegen schon.
Schön auch ohne Klopp: Das Westfalenstadion