Sonntag, 14. Juli 2019

Verkehr in Valencia

Im Schwäbischen Tagblatt erschien kürzlich in der Wochenend-Beilage, Seite "Wissen", eine Infografik zum Kreisverkehr. Darin wurden die Vor- und Nachteile des Kreisverkehrs gegenüber einer Kreuzung genannt (weniger Konfliktpunkte und Wartezeiten, Beinahe-Ausschluss von Frontalkollisionen), die Bedeutung der Schilder erklärt (blaues Kreisverkehrsschild und Vorfahrt-gewähren-Schild - das dürfte für manche Leser neu gewesen sein) und die Bußgelder für Verstöße vorgestellt (Nichtblinken beim Herausfahren, Vorfahrt missachten, Parken im Kreisverkehr, Verbotswidriges Überfahren der Mittelinsel uvm.).
Dass im Jahr 2019 immer noch Artikel mit der Unterzeile "Um Straßenverkehrsknotenpunkte sicherer zu machen, werden Kreuzungen nicht selten durch Kreisverkehre ersetzt. Die Besonderheiten und Verhaltensvorschriften im Überblick" veröffentlicht werden, weist auf eine weiterhin fehlende Vertrautheit des deutschen Autofahrers mit diesem scheinbar aus dem Welschland importierten Verkehrshindernis hin.
Tatsächlich war mutmaßlich der erste Kreisverkehr überhaupt der 1899 in Görlitz errichtete Brautwiesenplatz - einer Stadt, über die man in diesen Tagen ja überhaupt nur Gutes hört! Dennoch wird er irgendwie nach wie vor als undeutsch wahrgenommen, so dass man vermutlich in den Programmen gewisser Parteien (oder Nicht-Parteien) die Forderung nach seiner Abschaffung finden könnte. Woher diese Abneigung rührt? Vermutlich daher, dass der Kreisverkehr das ungehinderte Rasen so unhübsch stört, vor allem, wenn man in der 70er Jahren, also vor dem Kreisverkehrsbauboom hierzulande, eines dieser idyllischen französischen Städtchen besuchen wollte, und statt mit gepflegten 50-70 km/h bis zur Place de la ville durchzubrausen alle paar hundert Meter herunterbremsen musste, um im Halbkreis um eine überdimensionierte Topfplanze oder städtisch finanzierte Plastiken herumzufahren. Der Stachel sitzt weiterhin tief.

Aber nicht nur in Frankreich gibt es diese Blume der Zivilisation (auch wenn sich hier mit 20.000 ronds-points angeblich die Hälfte aller weltweit vorhandenen Kreisverkehre findet [Quelle]), auch in Spanien gibt es ein paar besonders schöne Exemplare, liebevoll rotondas genannt.

Mein Lieblingsbeispiel in Valencia ist ein Doppel-Kreisverkehr, also eigentlich ein Achter-Verkehr: ich nenne ihn "die Doppelrotonda der unbegrenzten Möglichkeiten". (Die liegende Acht steht bekanntlich für das Unendliche.) Wie man sieht, führen insgesamt fünf (ganz sicher bin ich mir nicht...) Straßen in ihn hinein bzw. aus ihm heraus. Was man allerdings auf dem Bild nicht gut erkennen kann, ist, dass aus den drei Spuren, die in den Kreisverkehr hineinführen, im Kreisverkehr praktisch beliebig viele Spuren werden. Das heißt, dass man sich an den verschiedenen Ampeln im Kreisverkehr (ja, es gibt Ampeln im Kreisverkehr!) jeweils günstig positionieren muss, um am Ende so herauszukommen, wie man es vorhat. Am besten bleibt man also in der Mitte, so hält man sich alle Optionen offen, aber das wissen die anderen Fahrer auch...
Lustigerweise gibt es bei diesem Riesenkreisverkehr oberhalb der Avenida dels Germans Machado auch die Möglichkeit, auf eine parallel zu den Feldern in östliche Richtung führende Straße einzubiegen. Man muss hierfür den zweiten Kreisverkehr (hier rechts) so umrunden, als wolle man auf die Avenida einbiegen, wartet aber dann an der Ampel zwischen den beiden Fahrtrichtungen der Avenida und biegt dann oben zwischen den beiden Grünbereichen ab.


Eine weitere straßenbautechnische Besonderheit vermag ich nicht einmal zu benennen; daher nenne ich es The Thing That Should Not Be. Hier muss man nämlich, auf einer mehrspurigen Straße fahrend (Avinguda del Primat Reig), nach rechts abbiegen, einen Bogen fahren, um dann links auf den Carrer d'Alfauir abzubiegen. Ich wüsste gerne, ob dieses Ding einen Namen hat, aber ich weiß nicht, wie ich es googeln sollte...




Q.e.d.: Von Görlitz lernen heißt kreativ denken lernen.