Mittwoch, 15. April 2015

Fußball Programm Politik

edit: Dieser Beitrag hätte eigentlich bereits Anfang April erscheinen sollen. Die impliziten Anliegen sind aber weiterhin aktuell.

Richard Schneider, Nahost - Korrespondent der ARD, hat anlässlich des 50. Jahrestags seit der Aufnahme politischer Beziehungen zwischen der BRD und Israel einen Dokumentarfilm gedreht. Angekündigt war er für Dienstag, 23 Uhr, also eine nicht unübliche Zeit für Sendungen, die dem viel zitierten öffentlich - rechtlichen Bildungsauftrag tatsächlich entsprechen (vgl. das Auslandsjournal und Aspekte im ZDF, Druckfrisch und das blaue Sofa in der ARD). Problem dieses Sendetermins: zuvor kam Fußball, DfB-Pokal, Borussia Dortmund gegen TSG Hoffenheim. Es kam wie es kommen musste: das Spiel ging in die Vrlängerung. Immerhin, und das sage ich auch als Fan, kam es dank Sebastian Kehls Tor des Monats nicht zum Elfmeterschießen. Aber, wie das in den K.O.-Runden eben so ist: "Die nachfolgenden Sendungen verschieben sich um unbestimmte Zeit."
Das ist ärgerlich. Ärgerlich für den Autor des Beitrags, ärgerlich auch für den an den politischen Beziehungen zwischen der BRD und Israel interessierten Fernsehzuschauer, der sich schon damit abgefunden hatte, nicht vor 0 Uhr ins Bett zu kommen. Der Autor, Richard Schneider, beschwerte sich jedenfalls am nächsten Tag in einem auf Facebook geteilten Tweet über die Fußball - bedingte Verzögerung. Es soll keiner denken, ich wollte mich über ihn lustig machen, nur weil ich zu den Leuten gehöre, die davon profitieren, dass der Rundfunkbeitrag zu einem beträchtlichen Teil für den Erwerb von Fußballrechten verwendet wird. Der Beitrag von Richard Schneider hätte mich schon deshalb interessiert, weil er mir erstmals in einem anderthalb Stunden langen, gemeinsam mit seinem etwas prominenteren Kollegen Jörg Armbruster gestalteten und sehr empfehlenswerten Film zur Lage der Palästinenser als kritischer Journalist aufgefallen ist. Der Film lief damals immerhin um 22:45 Uhr.
Leider hat Schneider ein paar Tage nach der auf 0 Uhr verschobenen Sendung auch geklagt, es sei erstaunlich, wie viele Journalisten sich zur israelischen Politik äußerten, ohne je im Land gewesen zu sein. Es ging um die Haltung Netanjahus zum Atom-Kompromiss mit Iran und er bezog sich anscheinend auf einen Artikel von Jakob Augstein. Ich frage mich nur, wie sich die Beurteilung dieser Haltung ändern soll, wenn man sich in Israel aufhält. Letztlich geht es doch darum, ob ein Land (Iran) in der internationalen Isolation verharren soll, oder ob man eben durch diplomatische Bemühungen versucht, dass Energiepolitik nicht in Rüstungspolitik umschwenkt. Ob einem die Ängste rechtsgerichteter israelischer Politiker zwangsläufig verständlich werden, wenn man im Land lebt, bzw. nicht kommentiert werden dürfen, wenn man nicht im entsprechenden Land lebt, erscheint mir doch fragwürdig und für die Zunft der politischen Journalisten problematisch. .
Zurück zu kurzfristigen TV-Programmänderungen: Zu Ehren von Günter Grass wurden am Montag eine weitere wertvolle Dokumentation (Reise-Check Rügen vs. Sylt) und die Talkshow Hart aber fair (Thema Schule, nachgeholt am 04.05.15) durch den 1975 gedrehten Schöndorff-Film "Die Blechtrommel" ersetzt. Was wäre eigentlich passiert, wenn an diesem Montag in der ARD Fußball gekommen wäre, sagen wir mal 1860 München - Holstein Kiel?
Vielleicht sollte Herr Schneider einmal einen Dokumentarfilm über Fußball in Israel drehen. Er käme sicher um 20:15 Uhr.
(Schneider ist übrigens Bayern-Fan.)

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